Danke schön!!!

Zuschauerrekation

Leiterin des Scha’ar HaNegev Tanzzentrums
23.12.2015
Efrat Kenan
Liebe Michal [Israel-Tournee-Produzentin], vor ein paar Monaten haben Sie sich mit einem Angebot an mich gewendet, uns zur Veranstaltung „Romeo & Julia“ der wee dance company zu bringen, doch das schien mir zu kompliziert. Der schiere Aufwand und die damit verbundene Verpflichtung, die Vorstellung und den Workshop zu genießen, haben mich abgeschreckt und ich habe darauf verzichtet.

Natürlich ist es für mich heutzutage sehr leicht, wiederholte Angebote abzulehnen, da ich mindestens einmal täglich mit diversen Angeboten, meine Schüler zu diesen oder jenen Veranstaltungen zu bringen, überflutet werde, und ich spüre dabei mehr und mehr, wie mir das industrielle Kulturgeschäft im Nacken sitzt. Dem werden viele weitere folgen und zu meinem Bedauern bin ich schon zynisch geworden und ignoriere mitt-lerweile die meisten davon, denn es ist einfach unmöglich, den ganzen Tag lang mit dem Versuch zu verbringen, herauszufiltern und zu bestim-men, wo wirklich Qualität liegt.

Durch großes Glück für mich und meine Schülerinnen sind Sie beständig geblieben und haben versucht, Lösungen zu finden, 30 meiner Schülerin-nen in einem teuren Bus direkt aus dem im Süden liegenden Scha’ar HaNegev ins Zentrum des künstlerischen und tänzerischen Schaffens zu brin-gen: den „Machsan 2“, Tel Aviv.

Ich kam ohne besondere Erwartungen. Ich sehe viele Tanzproduktionen und ich trage Sorge, meinen Schülerinnen mehrmals pro Jahr bereichern-de Tanzworkshops mit diversen Choreographen und Tänzern zu bieten. Zwar ist von jedem etwas zu genießen und entnehmen, aber die Vergan-genheit lehrte mich, keine großen Erwartungen zu hegen.

Jetzt, nach der Vorstellung und dem Workshop, schaffe ich es gar nicht mich wieder zu beruhigen von der großen Erregung, die wir an diesem besonderen Tag erleben durften. Nicht einfach nur noch irgendein weiterer Workshop oder eine weitere Vorstellung, vergleichbar mit vielen an-deren, die wir schon erlebt haben, sondern Qualität, auf höchstem Niveau, so, wie ich es in den letzten Jahren (oder sogar im letzten Jahrzehnt) nicht mehr erleben durfte.

Obwohl der Workshop vor der Vorstellung lag, beginne ich mit der Vorstellung.

Zwei Stunden lang saßen wir im Theater und hatten ein vielsinniges und hochqualitatives Erlebnis, welches das gesamte Spektrum des menschli-chen Wesens umfasste. Intellektuell, musikalisch, tänzerisch, emotional, mit einer außerordentlichen visuellen Komposition und mit Bühnenele-menten, welche die intellektuellen Tiefen der Interpretation des literarischen und musikalischen Werkes verdichteten.

Ich spürte, dass mir zwei Stunden lang auf jeder Ebene meiner Existenz der höchste Respekt gezollt wurde, den ich seit Jahren bei Tanz erleben durfte.

Aufregend war, dass kein Aspekt des Stückes einen anderen überschattete: die intellektuelle Interpretation zur literarischen und musikalischen Grundlage war der beeindruckenden tänzerischen Virtuosität gleichgestellt. Es ist so lange her, seitdem ich solch hochqualitativen Tanz sehen durfte, der Fertigkeiten aufweist, die Jahre an Training und Beharrlichkeit erfordern (und nicht nur minimalistische Gestik); allein die beeindru-ckenden Stürze der Tänzer zu sehen und damit die Tiefgründigkeit des körperlichen Beherrschens zu begreifen.

Die Bühnenelemente waren ein weiteres Mittel, die textuelle und musikalische Interpretation zu vertiefen und sich damit einer noch höheren tänzerischen Herausforderung zu stellen.

Jeder Bestandteil der Aufführung war präzise und diente dem uns gebotenem Ganzen. Eine vielsinnige und intellektuelle Erfahrung auf höchstem Niveau. Vielen Dank für die große Ehre, die Ihr uns durch dieses Erlebnis erwiesen habt. Wie ich bereits geschrieben habe, ist es lange her, dass ich mich so respektiert gefühlt habe.

Und der Workshop:
Auch hier schenkte uns der wunderbare Marko anderthalb Stunden von Informationen und Erfahrungen, klar wissend, was er vermitteln möchte und wie. Auch hier muss ich viele andere Erfahrungen erwähnen, die ich bei Workshops gemacht habe. Oftmals empfinde ich, dass die Workshop leitenden Tänzer/Choreografen sich nicht wirklich damit ausreichend gedanklich auseinandersetzen, um den Schülern so viel, wie nur möglich zu vermitteln und aus ihnen herauszuholen. Wieder, zu meiner großen Freude, bescherte uns Marko einen hochqualitativen Workshop, der sowohl eine spannende körperliche und tänzerische Erfahrung beinhaltete, als auch Wissen über Bewegung, welches man zum Weiterlernen in unserem regulären Kursplan in der Tanzschule mitnehmen kann. Die Schülerinnen hatten viel Spaß und baten ihre Lehrerinnen, an den Bewegungsphrasen im Unterricht weiter zu arbeiten.

Auch hier war Markos Fähigkeit sehr beeindruckend, so professionell und präzise in seinen tänzerischen Anforderungen zu sein und dabei doch so sanft und angenehm.

Zusammengefasst:
Liebe Michal, ich finde keine ausreichenden Worte, um Ihnen für Ihre Beharrlichkeit zu danken. Ich vermute, wir werden viele Jahre warten müssen, um erneut eine Erfahrung von solch positiver Kraft erleben zu dürfen. Geben Sie bitte unsere tiefste Dankbarkeit weiter an Marko und Danny, dafür, dass sie so sind, wie sie sind, und für Ihre Loyalität gegenüber der Tiefgründigkeit des menschlichen Daseins, kompromisslos auf allen Ebenen und Dimensionen. Und wie durch ein Wunder, wird all das mit Sanftmut und Respekt erreicht. In meiner Weltauffassung kann der Mensch auf diese Weise optimal lernen und empfangen.

Das nächste Mal, dass sie im Lande sind, werden Sie mich nicht überzeugen müssen – ich werde noch vor allen anderen da sein.

Viele Dank!!!!!!

Efrat Kenan „Scha'ar HaNegev“ Tanzzentrum