Zwischen Walzer-Alptraum und Märchen-Comedy

Der Tanz-Abend "The winners are ..." mit sieben preisgekrönten Choreografien junger Nachwuchstalente feierte am Samstag in der Alten Feuerwache seine viel umjubelte Premiere.

Von SZ-Mitarbeiterin Silvia Buss

Saarbrücken. Sie zeigen eine auffällige Vorliebe für melancholische Streicherklänge. Und so manches Mal lassen sie ihre Tänzer sich wie unter Schmerzen den Bauch reiben. Doch keine bange vor dem neuen Tanzabend des Staatstheaters in der Alten Feuerwache, der sieben junge Choreografen mit bei diversen Wettbewerben preisgekrönten Arbeiten präsentiert. Dass das Publikum ganz in Schwermut versinken könnte, weiß Ballettchefin Marguerite Donlon mit ihrem sicheren Gespür für die Dramaturgie wie so oft zu verhindern. Und so bescherte sie uns mit "The winners are. . ." ein Programm, das uns zwischen Walzer-Alptraum und Märchen-Comedy eine mitreißende Vielfalt der Handschriften beschert.

Wie Dan Pelleg & Marko E. Weigert überraschen die Choreografen mit abrupten Stimmungswechseln innerhalb eines Stücks. Einsam, gedrückt streicht Pascal Séraline in der "Box" zunächst um zwei mannshohe Kartons herum. Als aber Yamila Khodr dahinter wie aus dem Nichts auftaucht, beginnen die beiden ein herrlich ausgelassenes Drüber-Drunter-Verfolgungsjagd- und Versteckspiel, das durch sportive Sprünge und Witz besticht. Auch Loic Perelas "A la réflexion. . ." hat Momente einer Verfolgungsjagd. Ein Paar im Kampf um Nähe und Vertrauen. Während "Sie" (Meritxell Molinero) immer wieder ausbricht, in geradezu spastischen Verkrampfungen, gibt "Er" (Alfredo González) nicht auf, behutsam zu umfangen und zu halten. Eine anrührende, sensible Arbeit. Höchste Anspannung, das wird auch Bérengère Brulebois durchgehend abverlangt. Mit eckig-kantigen Gesten lässt Rafel Bonachela - in Saarbrücken bereits bei den "Bad boys" vertreten - die Tänzerin mit äußerster Präzision jede einzelne Note des mal schwelgenden, mal aufgekratzt-dramatischen Streichersoli interpretieren. Nur von Ironie ist in seinem "Irony of fate" nichts zu merken. Hochspannende Reibung erzeugt Idan Cohen in "A year in a fish life". Auf einen Chopin-Walzer, Inbegriff von Leichtigkeit und Beschwingtheit, der allmählich mit Akkordeontönen zersetzt wird, reagieren bei ihm drei Tänzerinnen phlegmatisch, wie sediert, verrenken ihre Oberkörper, robben auf dem Boden. Stumme Fische, gefangen in einem gemeinsamen Alptraum. Hellwach dagegen der Tänzer, mit dem Eric Gauthier den mechanistischen Charakter des klassischen Balletts auf die Schippe nimmt. 100 verschiedene Positionen muss der arme Takayuki Shiraishi auf Zuruf ausführen, bevor es ein erwartbar böses Ende nimmt. Was für ein toller Gag! Höhepunkt des Abends: Mirko Guidos "Tra me e se, forse". Noch witziger, clownesker, flüssiger lassen die neuen Tänzer Nigel Campbell und Alfredo Garcia Guidos Beitrag für SubsTanz Plus: Limitations? erstrahlen. Guidos ebenfalls schon bekanntes wildes Märchen "unwritten" beendete den vielbejubelten Abend. Auch wenn Donlon für diesmal zu ihrem Bedauern keine prämierte Choreograf-in auftreiben konnte, auf der Bühne waren die Frauen stark präsent. Dass zwei der "winner", Guido und Perela, bei Substanz ihre ersten eigenen Schritte choreografiert hatten, macht Donlon Stolz. Saarbrücken, auch eine Talentschmiede.

Auch am 30. September, 19.30 Uhr. Feuerwache. Karten: Tel. (06 81) 30 92 486. 29.09.2008 00:11