Görlitz: Theater startet mit ausverkauftem Haus
Nach sechs Wochen Schließung wurde am Wochenende das Tanzstück „Zerrinnerung“
uraufgeführt. 2G plus nahmen die Besucher gern in Kauf.
Von Ines Eifler
Die gute Stimmung im Publikum, die Freude darüber, nun endlich wieder Oper, Tanz, Schauspiel, Konzert erleben zu dürfen, war
am Sonnabend im Theater deutlich zu spüren. Dass man wegen der Kontrolle der Corona-Zertifikate bis auf den Vorplatz des
Görlitzer Theaters Schlange stehen musste, hielt dabei niemanden auf.
„Anfang der Woche bangten wir noch, ob überhaupt jemand zu unserer Tanzpremiere kommen würde“, sagt Generalintendant
Daniel Morgenroth. „Am Montag waren erst 70 Plätze gebucht.“ Doch nachdem am Mittwoch verkündet wurde, dass
Kulturveranstaltungen unter 2G-plus-Bedingungen wieder stattfinden dürfen, stand das Kartentelefon des Gerhart-Hauptmann-Theaters nicht mehr still.
Bis zum Sonnabend waren alle Tickets für die Uraufführung von „Zerrinnerung“ verkauft, 250 Menschen durfte der Saal
höchstens aufnehmen. Einige hatten sich spontan zu diesem nach sechs Woche ersten möglichen Theaterbesuch entschieden,
manche davon mussten weggeschickt und auf eine spätere Vorstellung vertröstet werden. Alle aber, die blieben, erlebten ein
berauschendes Feuerwerk aus Bildern, Musik, bewegenden Choreografien und einer Fülle von Eindrücken, die vielen im
Gedächtnis bleiben werden. Hintergrund für das neue Stück von Dan Pelleg und Marko E. Weigert war eine Ausstellung der 62-
jährigen israelischen Künstlerin Orly Azran in Tel Aviv. Sie hatte durch eine Überflutung ihres Lagers Fotografien und
Erinnerungen aus 30 Jahren ihres Lebens verloren. Eine Auswahl von Negativen, die dabei beschädigt wurden, entwickelte sie
zu neuen Bildern, die einen Rest ihrer Erinnerungen, vor allem aber deren Veränderung zeigten.
Auf der Bühne dienen zahlreiche dieser Bilder als abstrakte Hintergründe, die in leuchtenden Farben oder in Schwarz-Weiß wie
Naturphänomene, Gletscherlandschaften, Unterwasserwelten wirken. Auch die von Orly Azran und Ausstatterin Britta Bremer
erdachten Kostüme sind aus Stoff genäht, der Motive der Kunstwerke trägt.
Die Tänzer erzählen in ihren Bewegungen und getanzten Szenen eindrucksvolle Geschichten vom Vergehen der Zeit, vom
Zurückblicken, von Liebe, Schmerz und Enttäuschung, von Miteinander und Einsamkeit sowie vom Entstehen von Kunst durch
das Festhalten und Verändern von Erlebtem. Die zentrale Figur der Rahmenhandlung, eine alte Frau, deren Erinnerungen am
Ende ihres Lebens an ihr vorüberziehen, spielt Nora Hageneier, die seit vielen Jahren Teil der Tanzcompany ist.
Das Publikum jubelte zum Schluss begeistert. Bei der Premierenfeier im Foyer äußerten manche Besucher bei aller Freude aber
auch ihre Sorge, ob die Theater bald erneut schließen müssen.